Wissen durch Design?
Blickt man in den Schulalltag, so ist das klassische Referat, das ganz auf Sprache und vielleicht noch auf das Handout setzt, kaum mehr zu finden. Stattdessen setzen die Schülerinnen und Schüler viel mehr auf die visuelle Unterstützung der Inhalte, die sie präsentieren. Damit folgen sie einer Entwicklung, die überall zu beobachten ist: Informationen werden stark durch Visualisierungen unterstützt. So sind zum Beispiel auch von wissenschaftlichen Konferenzen Poster-Sessions und Folienpräsentationen kaum noch wegzudenken. Dieser Visual Turn war Thema der Konferenz „Knowledge Design“ im Forum Scientiarum in Tübingen. Die Konferenz ist aus dem Projekt Jugend präsentiert hervorgegangen
Aus zehn verschiedenen Ländern waren die insgesamt 22 Rednerinnen und Redner angereist. So verschieden ihre geografische Herkunft, so verschieden ist auch ihr professioneller Hintergrund: Kommunikationswissenschaftler, Bildungsforscher, Rhetoriker und Designer trafen aufeinander, um das Thema aus unterschiedlichsten Perspektiven zu beleuchten und zu diskutieren. Wieviel grafische Gestaltung verträgt die Wissenskommunikation, ohne dass die eigentliche Information darin verloren geht? Wie kann sie Inhalte konkretisieren? Welche Effekte hat sie und wie verhält es sich dabei mit unserer Wahrnehmung?
Form follows function
Der bekannte Designleitsatz lässt sich auch auf die Visualisierung von Wissen anwenden. Denn die Funktion, die Wissenskommunikation in erster Linie hat, ist es, Wissen zu vermitteln. Trotzdem, argumentiert PD Dr. Olaf Kramer, Leiter der Jugend präsentiert-Forschungsstelle, muss es nicht die Funktionalität alleine sein. Auch die visuelle Wahrnehmung ist aus rhetorischer Sicht von Bedeutung. Inhalte können durch Visualisierung verdeutlicht oder strukturiert und damit verständlicher gemacht werden. Auch Ideen wie Argumente zu illustrieren, statt sie in Worten zu erklären, Forschungsergebnisse durch die Entwicklung von Symbolen zu strukturieren bis hin, Emojis, deren Bedeutung vielen bekannt ist, zur Erklärung von Sachverhalten zu verwenden, wurden vorgestellt. Trotzdem: Daten attraktiver darzustellen, sie vielleicht sogar eine Geschichte erzählen zu lassen, heißt nicht immer, sie damit auch verständlicher zu machen. Manchen Inhalten wird doch der einfache Text oder das gesprochene Wort gerechter.
Superhelden erklären Wissenschaft
Am besten funktioniert es aber, wenn Grafik und Text kombiniert werden. Dann entsteht daraus zum Beispiel ein Comic. So geschehen in drei Projekten, die im „Interdisziplinären Labor“ der HU Berlin entstanden sind. Hier gibt es, ganz nach Marvel-Manier, Superhelden, die die Welt vor einer Klimakatastrophe retten und nebenbei noch erklären, was es denn mit dem Klimawandel überhaupt auf sich hat. In einem Buch, das Anfang Juni erscheint, wird der Leser auf eine Reise durch die Küchen der Welt mitgenommen, um unseren Umgang mit Ernährung und Ressourcen aufzuzeigen und die Stoffflüsse rund um die Ernährung mit Fokus auf den Phosphorkreislauf zu erklären. Es werden Geschichten erzählt, Abstraktes wird personifiziert, zum Beispiel begleitet uns ein kleiner Phosphor um die Welt, und so kann auf ansprechende Weise Wissen vermittelt werden, ohne dass der Inhalt zu sehr vereinfacht werden müsste.
Ganz im Sinne des Visual Turn gab es während der drei Tage in Tübingen nicht nur interessante Einblicke in Forschung und Praxis des „Knowledge Design“, sondern es wurde auch ein großes Repertoire an Visualisierungen vorgeführt. Die Fülle an innovativen Formen, Wissen grafisch zugänglich zu machen, war beeindruckend. Und das, zum Beispiel eindrücklich gezeigt von dem New Yorker Grafikdesigner Timothy Samara, ohne dass Inhalt und Visualisierung sich etwas nehmen würden. Form folgt also zwar Funktion, aber macht die Wissenskommunikation auch effektiver – und schöner.
Das Jugend präsentiert-Team nimmt viele Anregungen und Ideen mit von der Konferenz. Ein nächstes großes Projekt ist die Weiterentwicklung des Moduls zum Medieneinsatz im Multiplikatorenhandbuch, wo die Erkenntnisse aus der Konferenz Einfluss finden und so auch den Schülerinnen und Schülern zugänglich gemacht werden.